17. Dezember

Image: Martin Manigatterer
In: Pfarrbriefservice.de

Der Herr klopft an

Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an, wenn einer meine Stimme hört und die Tür öffnet, werde ich bei ihm eintreten und ich werde mit ihm und er wird mit mir Mahl halten

(Offb 3,2o)

»Siehe, ich stehe vor der Tür«. Der Herr spricht von sich selbst, und sagt, daß er vor der Türe unseres Lebens steht und daß er dort draußen auf uns wartet. Wenn es uns einen Augenblick gelänge, die Wände unseres Lebens zu durchbrechen, dann träfen wir auf ihn und fielen ihm in die Hände. Und wenn einmal die Wände unseres Lebens durchbrochen werden, fallen wir ihm in die Hände. Er wartet auf uns; er ist unser gewärtig und dessen, daß wir ihn sehen und hören. Denn er wartet nicht untätig, er will ja zu uns herein. Und so macht er sich uns bemerkbar. Er klopft an. »Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an.« Wir sollen wissen, daß er nahe ist und daß er zu uns herein will. Er steht verborgen hinter der Türe, aber er gibt seine Zeichen.

Sein Anklopfen geschieht, kann man sagen, in allem, was uns in diesem Leben zugeschickt wird; durch alle Widerfahrnisse; durch die Menschen, die uns begegnen; durch die Verhältnisse, in denen wir leben. Alles fordert uns auf, alles bedrängt uns, all das soll uns verlocken, ihm die Türe zu öffnen und ihn einzulassen. Das Anklopfen ist oft hart. Wir wissen es alle und sollen es wissen. Der Herr ist nicht sentimental. Der Herr ist sachlich; er weiß, wie schwerhörig wir sind. Wir brauchen nicht ins einzelne zu gehen. Leid, Enttäuschung, bittere Tage der Krankheit, Versäumnisse, Einsamkeit, Trennungen, Abschied, Sterben, wer kennt das nicht? Aber wer hört darin das Anklopfen des Herrn? Doch der Herr klopft auch milder an. Gibt es nicht auch Rettungen und Heilungen in jedem Leben, gibt es nicht Versöhnungen und Wandlungen, gibt es nicht immer wieder nach der Nacht den Morgen? Gibt es nicht auch dies, daß uns gute, offene, hilfreiche, arglose Menschen begegnen, gibt es nicht das Vertrauen der Kinder, gibt es nicht die Liebe des Gatten und des Freundes? Was sollen diese Begegnungen und Erfahrungen letztlich anderes als uns locken und bitten und das heißt drängen zu einem Wagnis, zu dem Wagnis nämlich, die Türe unseres verschlossenen Lebens dem Herrn aufzustoßen und ihn einzulassen.

Heinrich Schlier

Drei Meditationen zum Herz-Jesu-Fest, in: Korrespondenzblatt Canisianum 101 (Innsbruck 1966/67) 9-10.