140 Jahre Casino

Casino von 1868 e.V. – der katholische Männerverein feierte im Juni sein 140jähriges Bestehen mit einer Barkassenfahrt ins Alte Land. Mit dabei waren auch Vereinsmitgleider und Gäste aus der Gemeinde Sankt Sophien.

Der 28. Juni beginnt als trüber Samstagmorgen. Wer um 8 Uhr in der Früh am Baumwall aus der U3 steigt, schaut über einen ruhig daliegenden Hafen. Vor 140 Jahren muss es ganz anders ausgesehen haben, damals war sicher mehr los. Leichte Regenschauer fallen, den Treffpunkt markiert das rote Feuerschiff. Dort geht es von der Hafenpromenade hinunter zum Kai. Vorbei an einem Segler, der mit seiner Frau in der Kajüte beim Frühstück sitzt, führt der Weg zu Barkassen Ehlers. „Einer muss immer der erste sein“, sagt der Barkassenkapitän und meint damit nicht die Reporterin, die gespannt auf einige Herren für ein Interview wartet. Er meint einen Herrn mit irischer Schirmmütze und gelber Regenjacke.

Wie sich etwas später herausstellt, ist es ein Mitglied vom katholischen Männerverein Casino zu Hamburg. Heute feiert Casino sein 140jähriges Jubiläum mit einer Fahrt auf der Elbe ins Alte Land. Es ist ein Ausflug nur für Männer und die frühe Stunde daher für die junge Frau die einzige Chance, etwas über diesen Traditionsverein zu erfahren. Ein strikter Männerverein, wo gibt es denn heute noch so etwas? Und dann noch ein katholischer, mitten im lutherischen Hamburg?

Noch jemand kommt herunter zum Barkassenpier. Es ist Dr. Norbert Veth, der Vorsitzende von Casino. Nun kommt auch der Mann mit der Schirmmütze hinzu, Herr Machaczek, dem Dr. Veth das Wort für das Interview übergibt.

Herr Machaczek, Jahrgang 1933, entwirft ein Bild von der Zeit, in der Casino entstanden ist. Das Casino von 1868 sei in der Bismarckzeit hier in Hamburg gegründet worden. Es war für Katholiken eine schwierige Zeit. Man habe sie damals „unter dem Daumen gehabt“. Katholiken durften beispielsweise im Stadtgebiet keine Gottesdienste abhalten, sondern mussten dafür immer knapp über die Stadtgrenze hinweg reisen. Das katholische Casino wurde als Verein für Geselligkeit gegründet. „Wo sich Menschen ansammelten, weil sie Geld verdienen wollten und ihren Lebensinhalt suchten, in einer großen Stadt wie Hamburg – da hieß es natürlich: man sucht Freunde und jemand, mit dem man nach einem anstrengenden Tag ein Bierchen zischen kann.“

Das katholische Casino hat übrigens mit dem heutigen Ort des Glücksspiels wenig gemeinsam. „Casino“ kommt aus dem Italienischen, ist die Verkleinerungsform von „casa“ (Haus) und meint schlicht ein Haus, in dem sich eine Gesellschaft trifft. Im Deutschen bezeichnete „Casino“ bald nicht nur die Räumlichkeiten, sondern auch die Gesellschaft selbst.

Casino von 1868 e.V.

Traditionsverein für katholische Männer in Hamburg und Umgebung.

Begegnung und Dikussionen
über aktuelle Themen.

Anschrift:
Eppendorfer Landstraße 156
20251 Hamburg | Tel.: (040) 48 44 95

Nun war das katholische Casino damals kein Verein zum reinen Vergnügen, es hatte auch zum Ziel, junge Männer zu fördern, die es in jener Zeit als Katholiken schwer genug hatten. Für sie gab es zum Beispiel Rhetorikkurse; dort konnten sie lernen, wie man etwa bei seinem Chef die Frage nach einer Gehaltserhöhung angemessen und wirkungsvoll vorbringen konnte.

„Kommis wurden die jungen Leute genannt, die in der Firma so etwas wie – so würde man auf dem Bau sagen – Handlangerdienste machten.“ Für sie war das Casino ein Helfer beim Aufstieg auf der Karriereleiter.

Was macht das Casino heute? „Heute macht es in Traditionspflege. Man kommt zusammen, so wie jetzt zu einem Ausflug – dass das Wetter nicht mitspielt, dafür können wir nicht…“ In der Tat regnet es wieder stärker. Laufend kommen weitere Männer an, begrüßen einander und tragen die Tagesvorräte ins Boot. Die Stimmung ist trotz Nässe gelassen heiter. Hat man doch in der Barkasse ein Dach über dem Kopf und darf für später auf etwas Sonnenschein hoffen.

„Das sind alles alte Knaben“, flüstert Herr Machaczek konspirativ. Aber so ganz stimmt das gar nicht. Ein paar jüngere Gesichter sind zu sehen: Gäste, die sich den auf den ersten Blick unzeitgemäßen Verein etwas näher anschauen möchten. Wohl sind die meisten Ausflügler Rentner und große Ziele zur Weltverbesserung stehen eigentlich nicht an. Aber in so einem reinen Männerverein kann auch heute noch jeder Jüngere von den Älteren profitieren. Sei es das Erinnern von Döntjes und Geschichten, die zur Tradition Hamburgs gehören, sei es das Reden über Dinge, die man als Mann nun mal lieber unter Männern diskutiert und wo die Älteren aus ihrer Lebenserfahrung schöpfen.

Einmal pro Monat trifft man sich zum geselligen Beisammensein. Manchmal ist ein Thema vorgegeben und es gibt auch Gelegenheiten, zu denen Frauen zugelassen sind, etwa das jährliche Herbstfest, ein Kegelabend für die ganze Familie oder ein Vortrag zu einem Thema, das auch Frauen betrifft. Wer Interesse hat, das Casino kennenzulernen, der kann sich zu einem Versammlungsabend einladen lassen, um die Luft dort zu schnuppern.

Heute wird man auf der Fahrt mit Akkordeon und Liederbuch begeistert Seemanns- und Wanderlieder singen. Ziel ist der Ort Cranz im Alten Land und es soll der Obsthof Meyer besucht werden. Dort werden die Männer, so viel sei im Nachhinein verraten, lernen, dass die Kirsche eigentlich ein Tannengewächs ist. Das Casino bildet auch im Gespräch untereinander, wenn sich der Wissensschatz der Herren öffnet und Unglaubliches und Bemerkenswertes zum Beispiel über den Hamburger Kulturkampf zum Ende des 19. Jahrhunderts zutage fördert. Zu schade, dass heute nur Männer zugelassen sind; manchmal könnte frau stundenlang zuhören.

Die Vorbereitungen sind gemacht, die letzten entern die Barkasse. Für die Zukunft wünscht sich Herr Machaczek, die andern noch oft in alter Frische wiederzusehen. Das gebe Gott.

(CC)