Ist die Renaissance des Katholischen schon vorbei, wie die ZEIT aktuell schreibt? „Eben waren wir noch Papst, wir alle, und was ist jetzt eigentlich los?“ war die Eingangsfrage zu einer Podiumsdiskussion in der Katholischen Akademie am vergangenen Donnerstag abend.
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Seit die Nachricht von der Aufhebung der Exkommunikation vierer Bischöfe der Piusbruderschaft öffentlich wurde, ist ein Sturm der Entrüstung losgebrochen. In katholischen Internetforen wie z.B. mykath.de gingen die Beiträge binnen Kurzem in die Hunderte. Ein User berichtet dort, dass selbst im Supermarkt, wo er einkaufen ging, viele Leute in Grüppchen beisammen standen und sich gegenseitig fragten, was sie von den Neuigkeiten halten sollten. So viel öffentliche Diskussion über die Kirche hat es seit langem nicht gegeben.
Die Katholische Akademie hat dankenswerterweise schnell reagiert und sehr kurzfristig zur Podiumsdiskussion eingeladen. Sie gewann eine Riege hervorragender Redner und Kenner der Materie:
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- Erzbischof Dr. Werner Thissen,
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- Eberhard von Gemmingen SJ, Chef der deutschen Sprachabteilung von Radio Vatikan
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- Dr. Daniel Deckers, FAZ,
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- Günter Bernd Ginzel, jüdischer Publizist aus Köln,
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- Prof. Dr. Peter Hünermann, emeritierter Dogmatikprofessor aus Tübingen
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- Moderator war Dr. Christoph Rind, Redakteur des Hamburger Abendblatt
Es war eigentlich nicht anders zu erwarten, obschon die Nachricht von dieser Podiumsdiskussion bestimmt nicht alle Interessierten rechtzeitig erreicht hatte: Der Saal in der Katholischen Akademie war voll. Sobald der stellvertretende Leiter der Akademie an das Mikrofon trat, um die Anwesenden zu begrüßen, erstarb das allgemeine Stimmengewirr und wich einer konzentrierten Spannung: Niemand wollte ein Wort von dem verpassen, was nun kommen sollte.
Von den wichtigen Fragen, die die Aufhebung der Exkommunikation bis dahin ausgelöst hatte, wurde in den folgenden eineinhalb Stunden keine ausgelassen. Und keine blieb unbeantwortet, wenn auch in manchen Antworten mehr Ratlosigkeit als Gewissheit zu liegen schien. Im Folgenden sollen hier ein paar zentrale Fragen angesprochen und teils aus der Podiumsdiskussion, teils aus eigener Recherche beleuchtet werden.
Was bedeuten eigentlich die Begriffe Exkommunikation und Suspension?
Dies sind zwei Begriffe aus dem Kirchenrecht, die unbedingt auseinanderzuhalten sind. Die vier Bischöfe der Pius-Bruderschaft waren exkommuniziert, weil sie sich unerlaubterweise damals von Bischof Lefebvre zu Bischöfen haben weihen lassen. Damals zogen sich sowohl der weihende Bischof Lefebvre, als auch die vier geweihten Bischöfe automatisch die Exkommunikation zu. Dies bedeutet, dass sie, wie Erzbischof Thissen sagte, ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zur Kirche gehörten. Ein Exkommunizierter sei kein Gesprächspartner für die Kirche, ergänzte Prof. Hünermann.
Die vier Bischöfe gehören nun wieder zur Kirche und sind damit wieder offiziell Gesprächspartner für Rom. Damit ist ihre Suspension aber keineswegs aufgehoben. Sie sind von ihren Ämtern suspendiert, für die sie zwar gültig geweiht wurden – aber unerlaubt. Als Suspendierte haben sie „weder geistliche, noch organisatorische oder leitende Vollmachten in der Kirche. Das heißt, im Grunde ist der Schritt ein sehr kleiner Schritt, aber er wird dadurch groß, dass die Umstände so sind, wie sie sind.“ (Thissen).
Kann der Papst, kirchenrechtlich gesehen, die Aufhebung der Exkommunikation wieder rückgängig machen?
Prof. Hünermann beantwortete diese Frage in der Diskussion am Donnerstag mit „ja“. P. von Gemmingen wird hierzu in einem Artikel auf tagesschau.de zitiert: „Wenn die Aufhebung der Exkommunikation auf falschen Voraussetzungen beruhe – weil entscheidende Informationen zu diesem Zeitpunkt nicht vorhanden gewesen seien – könne der Papst demnach sagen: Die Exkommunikation tritt wieder in Kraft, ist nicht zurückgenommen.“
Holocaust-Leugnung Williamsons – der einzige Stein des Anstoßes?
Einhellig waren die Redner der Podiumsdiskussion der Meinung, dass das Leugnen des Holocaust durch Williamson nicht hinnehmbar sei. Nun hat inzwischen der Sprecher der Pius-Bruderschaft in Deutschland, Herrn Schmidberger, ausgerechnet von der ultrarechten Jungen Freiheit verlauten lassen „Wir sind keine Antisemiten“. „Auf so eine Idee muss man als Pater ja erst einmal kommen. Da ruft man nicht kna an oder dpa an, sondern da geht man dort hin, wo man ganz genau weiß, da sind die Anhänger von Herrn Williamson.“ wundert sich Herr Ginzel. In der Tat ist der Antisemitismus in der Pius-Bruderschaft gewissermaßen immanent. Für sie sind die Juden kollektiv – bis auf den heutigen Tag – schuldig am Tod Jesu. Sie bleiben es, solange sie nicht zum Christentum konvertieren. Im Moment ist der entsprechende Artikel auf der Homepage der Pius-Bruderschaft nicht einsehbar und „in Bearbeitung“.
Stein des Anstoßes ist weiterhin, und dies hängt auch mit dem mehr oder weniger offenen Antisemitismus in der Bruderschaft zusammen, dass sie das 2. Vatikanische Konzil nicht anerkennen. Eines der wichtigsten Dokumente des 2. Vaticanums, „Nostra Aetate“, behandelt die Neupositionierung der katholischen Kirche gegenüber dem Judentum wie auch dem Islam sowie aller anderen Religionen der Welt. Darin heißt es gleich zu Beginn:
„In unserer Zeit, da sich das Menschengeschlecht von Tag zu Tag enger zusammenschließt und die Beziehungen unter den verschiedenen Völkern sich mehren, erwägt die Kirche mit um so größerer Aufmerksamkeit, in welchem Verhältnis sie zu den nichtchristlichen Religionen steht. Gemäß ihrer Aufgabe, Einheit und Liebe unter den Menschen und damit auch unter den Völkern zu fördern, faßt sie vor allem das ins Auge, was den Menschen gemeinsam ist und sie zur Gemeinschaft untereinander führt.
Alle Völker sind ja eine einzige Gemeinschaft, sie haben denselben Ursprung, da Gott das ganze Menschengeschlecht auf dem gesamten Erdkreis wohnen ließ; auch haben sie Gott als ein und dasselbe letzte Ziel. Seine Vorsehung, die Bezeugung seiner Güte und seine Heilsratschlüsse erstrecken sich auf alle Menschen, bis die Erwählten vereint sein werden in der Heiligen Stadt, deren Licht die Herrlichkeit Gottes sein wird; werden doch alle Völker in seinem Lichte wandeln.“
Wusste der Papst denn nicht, wem er da die Hand reichte?
Dr. Deckers sagte hierzu: „Also ich glaube, dass es im Vatikan eine Person gibt, die sehr genau bescheid weiß, wie die Lefebvre-Bewegung denkt, und das ist der Papst höchstselbst. Der Papst hat zwischen Herbst 1986 und Sommer 1987 mehrfach persönlich mit Erzbischof Lefebvre gesprochen, hat eine Art Konsensdokument verhandelt, was von beiden Seiten unterschrieben wurde, aber nicht gültig wurde, weil Lefebvre vorher Bischöfe weihte bzw. er Forderungen stellte, und in diesen Gesprächen – so muss man annehmen – ist all das, was heute Stein des Anstoßes war, damals schon zur Sprache gekommen.“
Über den konkreten Fall allerdings, d.h. die Holocaust-Leugnung Williamsons in einem Interview des schwedischen Fernsehens, ist sich das Podium einig. Hiervon sei der Papst wohl tatsächlich nicht rechtzeitig unterrichtet gewesen.
Wie konnte es passieren, dass der Papst nicht über das Interview bescheid wusste?
P. von Gemmingen sieht hier vor allem ein strukturelles Problem in Rom. Es gebe im Vatikan kein Kabinett, in dem alle zusammensitzen, wo die einzelnen Kardinäle sich gegenseitig korrigieren und informieren könnten. Papst Benedikt XVII spreche „wahrscheinlich immer nur mit
einem einzelnen Kardinal“, Protokolle dieser Gespräche gebe es nicht. Dass der (in dem Kontakt mit der Piusbruderschaft federführende) Kardinal Hoyos aber auch nichts von dem Interview gewusst habe, das verwundere schon. Das zugegebene Nichtwissen dieser beiden sei zwar eine demütige Geste, aber auch noch nicht die Lösung des Problems.
Die Kommunikationsprobleme des Vatikans
P. von Gemmingen machte deutlich, dass spätestens mit der aktuellen Krise eine umfassende Neuorganisation der Kommunikationsstrukturen imVatikan nötig wird. Erzbischof Thissen meinte außerdem: „Ein solch tiefgreifendes Vorgehen wie die Aufhebung der Exkommunikation, jetzt mal gar nicht im Sinne des Holocaust-Leugners, sondern des Lefebvre-Bischofs, ein solch tiefgreifendes Vorgehen muss in Rom und in der Weltkirche deutlich vorher kommuniziert werden.“ Offenbar waren die deutschen Bischöfe über die Aufhebung der Exkommunikation erst eine halbe Stunde vor der restlichen Öffentlichkeit informiert worden.
Dr. Deckers beschrieb das Ausmaß der vatikansichen Kommunikationsproblematik noch eingehender: „Wobei man auch hier, das zu sagen mag die Stimmung nicht erheitern, sich vor Augen führen muss, dass es ja nicht das erste Mal war, dass der Papst nach einer Generalaudienz hingegangen ist und vorherige Aussagen seiner selbst korrigiert hat. So war es, nachdem er aus Brasilien zurückkam, so war es, nachdem er aus Auschwitz zurückkam und die Scherben, die die Karfreitagsfürbitte angerichtet hat, mussten auch andere zusammenkehren.“
Worum ging es dem Papst bei seiner Entscheidung?
P. von Gemmingen ist überzeugt, und das wird von mehr und mehr Leuten angenommen, dass es Benedikt XVI tatsächlich um die Einheit in der Kirche ging. Die Brücke, die er dafür nun gebaut hat, scheint vielen von Torheit getragen zu sein. Sein Zugehen auf die Piusbrüderschaft darf man als geradezu jesuanisch ansehen, ist doch Jesus selbst mehrfach ganz vorbehaltlos auf Sünder zugegangen, um sie zur Umkehr zu bewegen. So steht es auch in dem Dekret, das die Aufhebung der Exkommunikation beglaubigt: „Es ist zu hoffen, dass diesem Schritt die baldmögliche Verwirklichung der vollen Gemeinschaft von Seiten der gesamten Bruderschaft St. Pius X. mit der Kirche folgt, um so die echte Treue und wahre Anerkennung des Lehramts und der Autorität des Papstes durch ein Zeichen der sichtbaren Einheit zu bezeugen.“
Und doch sind viele entsetzt über die Naivität, die aus solchem Tun zu sprechen scheint. P. von Gemmingen glaubt nicht, dass die Hoffnung des Papstes, die Piusbruderschaft werde von ihren häretischen Positionen Abstand nehmen, erfüllt werden wird. Tatsächlich weihte der Generalobere schon wenige Tage nach der Aufhebung der Exkommunikation unerlaubterweise Diakone. „Die machen so weiter, wie sie angefangen haben“, so Dr. Deckers. Zudem ging durch die Presse, dass die Bruderschaft im Gegenteil darauf baue, vielmehr den Vatikan zu ihrer Sicht der Dinge bekehren zu können.
Warum fischt der Papst nur am rechten Rand, nicht aber am linken?
Von der kirchenrechtlichen Struktur des Problems her wäre der passende Vergleich wohl der Fall der Donaupriesterinnen.
In der Podiumsdiskussion wurde aber mit einigem Recht im Publikum gefragt: „Warum wendet sich der Papst den Rechtskonservativen zu, aber das Lehrverbot für volksnahe Bischöfe wird nicht aufgehoben?“ Dr. Deckers meinte, der Papst habe sich sicherlich gefragt „was ist eigentlich realistisch, in den wenigen Jahren, die Gott mir gegeben haben wird?“ Hinzu komme „seine Affinität zu den Themen, die in der Lefebvre-Bewegung virulent sind“: Diktatur des Relativismus, Traditionsabbruch in der Kirche, Verlust des Glaubenswissens, Umgang mit der Menschenwürde. „Die [Lefebvrianer] leiden an der Moderne, wie auch der Papst an der Moderne leidet.“ Doch die Antworten der Piusbruderschaft könne die Kirche um ihrer selbst willen nicht akzeptieren: „Diese Lefebvre-Leute, sie bestreiten im Grunde […] die Bekenntnisgrundlage der Kirche.“
Besteht die Gefahr einer Aushöhlung des 2. Vatikanischen Konzils?
Ob der Papst in Wirklichkeit auf einen Zustand zustrebt, der zeitlich vor dem 2. Vaticanum liegt, ist mit die größte Sorge vieler Katholiken in Deutschland. Es gibt neben denen, die bei Benedikt XVI eine gewisse Naivität bei besten Absichten wahrnehmen, auch andere, die in ihm ihn eher einen gerissenen Lenker des Kirchenschiffs vermuten, der sehr wohl weiß, was er tut und dessen Taten vieler Jahre auf eine schrittweise Aushöhlung des 2. Vaticanums hinweisen. Die sehnlichst erwartete Botschaft des Papstes, vor der endgültigen Rehabilitierung der vier Bischöfe werde definitiv ihre Zustimmung zum 2. Vatikanischen Konzil erwartet, spricht dagegen. Erzbischof Thissen hierzu: „Was ist das überhaupt, dass ein Generalstaatssekretär und auch acht Tage vorher ja schon der Papst in der Mittwochs-Audienz, dass der so etwas überhaupt sagen muss. Das sind doch Dinge, die völlig selbstverständlich sind. Also dass ein Papst sagen und sagen lassen muss, erstens Leugnung und Verharmlosung des Holocaust, das ist unerträglich, das hat mit katholischer Kirche nichts zu tun. Zweitens, dass ein Papst sagen muss, wir stehen auf dem Boden des 2. Vatikanischen Konzils und drittens, dass ein Papst sagen muss, Ökumene bleibt für uns vorrangiges Ziel.“ Thissen drückte damit vor allem seine Sorge und Verwunderung darüber aus, dass solche Selbstverständlichkeiten nun doch wieder für viele in Frage gestellt scheinen.
Prof. Hünermann meinte, ihm sei auf den Magen geschlagen, dass diese Erklärung des Generalstaatssekretärs eventuell eine „Farce“ sei, was er aber nicht näher begründen könne. Später wies er darauf hin, dass aktuell von der vollen Anerkennung des 2. Vatikanischen Konzils dispensiert werde, und zwar beträfe dies die Petrusbruderschaft, die damals nicht mit Lefebvre ins Schisma gegangen sei. „Das Dokument, das sie unterzeichnet haben, dispensiert sie von der Zustimmung zum 2. Vaticanum und verlangt lediglich, dass Lumen Gentium 25 affirmiert wird, wo die Lehre dargelegt wird vom Primat des Papstes und seiner Lehrkompetenz. Den Rest nicht, sondern da sollen sie studieren und in Kontakt, in einer Kommunikation mit dem Heiligen Stuhl bleiben.“
Erzbischof Dr. Thissen bekräftigte die Analyse von Dr. Deckers: „Der Papst ist beseelt von der Vorstellung, dass sein Petrusdienst Dienst an der Einheit ist und deshalb greift er da zu, wo er Möglichkeiten sieht. Ich habe allerdings den Eindruck, dass er dafür aber auch im Vatikan manchen Unterstützer hat, dass er da auch von manchem bedrängt wird und vielleicht auch, dass er eine partielle Affinität zu Manchem in den konservativen Kreisen bei den Traditionalisten hat, was also etwa die Liturgie betrifft, was die musikalische Gestaltung der Liturgie betrifft, das ist ja alles auch noch nichts Böses […] Wenn ich da was Gutes drin sehen will, dann […] dass die wirklichen Intentionen der Traditionalisten ans Tageslicht kommen müssen und dass das nicht mehr alles nur so [mit] „na ja das ist ja nur lateinischer Gottesdienst und sonst sind die ja auch ganz nett“ [abgetan wird], dass das also jetzt wirklich herauskommt, das finde ich richtig.“
In der Tat hat der Papst mit seiner Entscheidung die Piusbruderschaft gezwungen, explizit Stellung zu nehmen. Es hat sich ein gewisses Zeitfenster geöffnet – wann es sich wieder schließen wird und mit welchem Ergebnis, bleibt abzuwarten.
Wie reell ist die Gefahr für den christlich-jüdischen Dialog?
Der jüdische Publizist Günter Bernd Ginzel zeigte sich in der Podiumsdikussion als Kenner und als ausgesprochener Freund der katholischen Kirc
he. Besonders seit Papst Johannes XXIII bewundere er sie und verstehe seine katholischen Freunde, die manchmal sehr glücklich waren, etwa beim Friedenstreffen der Religionen von Assisi. Er erwähnte dann die umstrittene Zulassung der Karfreitagsfürbitte und die großeVersöhnung in Osnabrück damals. Er warnte davor, bei der medienwirksamen Geste stehenzubleiben: „Das ist ja das Problem, dass die Menschen die große Geste, die große Show lieben. Großer Kardinal an der Brust von kleinem Rabbiner oder kleiner weißer Papst an der Brust von großem dicken Rabbiner – wunderbar! Diese Bilder findet man herrlich, man denkt da aber nicht drüber nach, was ist eigentlich geklärt, mit der Karfreitagsfürbitte ist nichts geklärt. Der GAU, der jetzt passiert ist, steht in dieser Kontinuität.“
Erzbischof Dr. Thissen erzählte, dass er den Vorsitzenden der jüdischenGemeinde in Hamburg, Herrn Herzberg, angerufen und getroffen habe. „[Ich] hab ihm mein Bedauern gesagt und hab versucht, soweit ich das kann, Erklärungsversuche überzubringen und hab dann vor allem gefragt, haben Sie eine Idee, was wir tun können, damit das gute Verhältnis, das wir hier in Hamburg miteinander haben[…], dass das nicht Schaden leidet.“ Beide werden sie in ihrem Gremien darüber beraten. Er habe die Hoffnung, „wenn wir wirklich gut damit umgehen, [und] die Erfahrung habe ich aus dem Gespräch mitgenommen, dass uns das eher noch näher zusammenbringt, als dass uns das trennen muss.“
Was können die „einfachen“ Katholiken tun, um deutlich zu machen, dass sie auf keinen Fall einen Rückschritt hinter das 2. Vaticanum wollen?
Viele Katholiken fühlen sich ziemlich ohnmächtig. Erzbischof Dr. Thissen ermuntert aber die Gläubigen: „So weitermachen wie bisher, aktiv Christ sein und mittun in der Gemeinde und das 2. Vaticanum zur Kenntnis nehmen!“ Man sollte sich in den Schätzen der eigenen Kirche auskennen, darüber sprechen und sie beherzigen. Konkret und aktuell stehe nun die bundesweite Eröffnung der Brüderlichkeit an und da böten sich viele Möglichkeiten für persönliches Engagement.
In diesem Sinne besteht nun auch die Möglichkeit einer Renaissance des 2. Vatikanischen Konzils. Es geht dabei nicht um die besondere Aufbruchstimmung, die das Konzil damals begleitet hat. Es geht darum, eine Tradition der Kirche lebendig zu erhalten. Dies ist nicht allein Aufgabe des Heiligen Stuhls.
Welche Konsequenzen wird die aktuelle Krise im Vatikan haben?
Den Schilderungen P. von Gemmingens nach wird es bei der Verbesserung, zumal in Fragen der Transparenz des Vatikans nach außen hin, nur schwerfällig Verbesserungen geben. Die Frage sei auch, ob die Probleme, die vor allem die deutschen Katholiken mit der Zentrale in Rom haben, von den Kurienkardinälen ausrechend wahrgenommen werden. Er sieht da aufgrund der unterschiedlichen Denkweise und auch aufgrund der Sprachbarriere erhebliche Schwierigkeiten.
Dr. Deckers machte mögliche Veränderungen an bestimmten, in naher Zukunft anstehenden Personalentscheidungen fest. Wer zum Beispiel demnächst Kardinal Kasper nachfolgen werde, der werde für den christlich-jüdischen Dialog richtungweisend sein.
Im Raum stehe auch die eventuelle Seligsprechung von Pius XII. Wie wird Benedikt XVI hier verfahren?
Welchen Einfluss können und wollen die deutschen Bischöfe auf Rom nehmen?
Wie Erzbischof Zollitsch am selben Donnerstag abend in der Sendung von Maybrit Illner sagte, wird er in seiner Funktion als Vorsitzender der Bischofskonferenz nach Rom reisen und einen Fragenkatalog mitnehmen. Erzbischof Thissen sagte in der Podiumsdiskussion, dass ein deutscher Papst für die deutschen Bischöfe bedeute, dass sie es schwerer haben als bei einem nichtdeutschen Papst, da dieser nicht den Anschein erwecken wolle, er sei vor allem ein Papst für die Deutschen. Es fehle zudem, dass die Stimmen der Weltkirche in eine Koordination gebracht würden und damit würde auch fehlen, dass solcherart Besprochenes auch umgesetzt würde.
Dr. Deckers merkte an, dass die seit dem 2. Vaticanums im Kirchenrecht festgeschriebene Leitung der Kirche nach dem Kollegialitätsprinzip noch lange nicht umgesetzt sei. Er forderte das Weltepiskopat dazu auf seine Stimme zu erheben und darauf zu bestehen, dass es so mit der Kommunikationsstruktur in der Kirche nicht weitergehen könne. Erzbischof Dr. Thissen stimmte ihm darin zu, dass da noch vieles aufzuarbeiten sei. Daher sei das 2. Vaticanum auch keinesfalls als historisch anzusehen. Entsprechende Anfragen habe es auch schon von der deutschen Bischofskonferenz gegeben. Man solle aber auch nicht verkennen, dass es die Bischofskonferenzen mit ihrem Einfluss und ihren Vollmachten ja erst seit dem 2. Vaticanum gebe. Daher sei ein Weg gegeben, auf dem man weiter gehen könne.
Christiane Christiansen