Am Sonntag in der Vortrags-Reihe „Punkt 12“ am 21. April 2013 hier bei uns vorgestellt: Die Geschichte der Sinti und Roma; als Gast begrüßten wir den Gitarristen und Komponisten Tornado Rosenberg.
Wenn Peter Krauze am Sonntag in der Gemeinde Sankt Sophien um Punkt 12 zu einem Vortrag einlädt, gibt es immer interessante Geschichten von Nah und Fern zu hören. Uns Hamburgern sind die Sinti und Roma beides: sowohl nah als auch fern. Woher diese gemischten Gefühle kommen, lässt ein kurzer geschichtlicher Abriss erahnen:
Ursprünglich bewohnten die Sinti und Roma ein Gebiet im Nordwesten des indischen Subkontinents. Schon vor etwa 1.500 Jahren brachen sie von dort auf und gelangten in mehreren Etappen nach Europa. Der immer neue Aufbruch ist keinesfalls einer Rastlosigkeit zuzuschreiben, die diesem Volk etwa „im Blut“ läge, sondern geschah immer schon aus Zwang: Krieg, Verschleppung, Verbannung, Ausgrenzung und Armut sind in der Geschichte der Sinti und Roma immer wieder die Ursachen für ihre Wanderungen gewesen, die sie inzwischen bis nach Nord- und Südamerika über fast die ganze Welt verteilt haben.
Tatsächlich sind die meisten Sinti und Roma sesshaft, wo und wann immer es ihnen möglich ist. So auch die Familie von Tornado Rosenberg. Er ist in Eimsbüttel geboren und auf Finkenwerder großgeworden, ein echter Hamburger Jung also. Als sein Vater mit der jungen Familie in den 60er Jahren auf die Elbinsel zog (das war kurz vor der großen Sturmflut 1962), war ihr Ansehen bei den Nachbarn zunächst sehr schlecht. Von „Roma“ und „Sinti“ sprach man damals üblicherweise nicht, sondern von „Zigeunern“: Ziehende Gauner. Tornado Rosenberg gibt sich heute gelassen, wenn ihn jemand einen Zigeuner nennt, doch er legt Wert darauf, kein solcher zu sein.
Die gängigen Vorurteile gegenüber dem „Fahrenden Volk“ sind bis heute: Sie stehlen, betteln, hinterlassen jeden Ort vermüllt und machen, wenn sie in einem Haus wohnen, Lagerfeuer im Wohnzimmer. Und so bekam auch Mutter Rosenberg damals zufällig mit, dass Nachbarn sich in einem Laden abfällig über die neueingezogene Familie unterhielten. Sie lud eine der Nachbarinnen zu sich zuhause ein und die kam tatsächlich zu Besuch. Ihr Erstaunen war groß, sich unversehens in einem gutbürgerlichen Haushalt zu befinden, der so ordentlich und blitzblank sauber war wie man es sich nur wünschen konnte (und wie es mancher Nachbarhaushalt niemals schaffte zu sein). Als bald darauf die Jahrhundert-Sturmflut die Deiche einriss und im Finkenwerder Wohnhaus bis zum ersten Stock das Wasser stand, rückten alle Nachbarn zusammen und halfen sich gegenseitig. Das legte den Grundstock für eine tiefe nachbarschaftliche Freundschaft, die, so erzählt Tornado Rosenberg, bis heute hält.
Sinti und Roma – ein Volk oder zwei?
In Deutschland spricht man immer in einem Zug über die Sinti und Roma. Das hat einen guten Grund, denn sie sprechen eine gemeinsame Sprache (in leicht unterschiedlichen Dialekten) und sind auch sonst kulturell eng miteinander verwandt. Allen gemeinsam ist zum Beispiel das Wort manouche / manouj für „Mensch“. Für Tornado Rosenberg sind die Sinti und Roma, das betont er gleich zu Anfang, eins. Später macht er jedoch eine Einschränkung: Heute kommen viele Roma aus den Balkanländern nach Deutschland, die in ihrer Armut und Unangepasstheit auffallen – wenn dann in den Medien etwas über die „Sinti und Roma“ steht, seien doch oft eigentlich die neu gekommenen Roma gemeint und nicht die längst integrierten Sinti.
Rosenberg – den Namen kennen wir doch?
Der Name Rosenberg lässt an zwei Dinge denken: An die Sängerin Marianne Rosenberg und an einen typisch jüdischen Namen. Beides trifft zu! Tornado und Marianne Rosenberg kommen aus derselben Familie, die offenbar eine starke musische Ader weitervererbt (auch Tornados Vater war Musiker und brachte ihm schon mit 5 Jahren das Gitarrenspiel bei). Nebenbei erfahren wir über Maianne Rosenberg ein kleines Geheimnis: Sie heißt eigentlich Gina mit Vornamen. Und tatsächlich hat die Familie Rosenberg auch jüdische Wurzeln. Tornado Rosenberg wuchs jedoch christlich auf. An diesem Punkt seines Erzählens ist zu merken, wie wichtig ihm der Glaube ist. Fast kommt er ins Predigen, doch keineswegs von oben herab, sondern ganz aus dem Herzen heraus.
Mehrere Male greift Tornado Rosenberg beim gemeinsamen Vortrag mit Peter Krauze zur Gitarre und spielt Stücke aus seinem Repertoire, das von spanisch anmutender Lagerfeuermusik über religiöse Lieder bis hin zu Kompositionen des berühmten Django Reinhard reicht. Wir sind sehr beeindruckt von seinem Spiel, von seiner großen Offenheit und von so mancher Einzelheit aus dem Leben und der Geschichte der Sinti und Roma, die uns dieses Volk, das als größte Minderheit mit uns hier in Europa lebt, ein Stück näher gebracht hat.
Links:
Die Webseite von Tornado Rosenberg: http://www.tornadorosenberg.de
Sinti und Roma in Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Sinti_und_Roma
Geschichte des „Zigeuner“-Bildes auf ZEIT online: http://www.zeit.de/2013/10/Roma-Sinti-Vorurteile-Geschichte
Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma über Armutszuwanderung und Rassismus auf FAZ.net: http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/armutseinwanderung-von-roma-deutschland-muss-viel-mehr-druck-ausueben-12092026.html
Christiane Christiansen