Brief kirchliches Leben in Corona Zeichen

Liebe Brüder und Schwestern,
mich erreichen einige Briefe und E-Mails, die sich enttäuscht, traurig und zum Teil auch ver-ärgert über die schon lang andauernde Aussetzung der öffentlichen Gottesdienste in unse-rem Erzbistum und in ganz Deutschland zeigen. Für all diese Gefühle habe ich großes Ver-ständnis. Auch für mich waren die Kar- und Ostertage alles andere als normal. Auch mir fehlen die festlichen Feiern in unseren Kirchen und Gemeinden, die Firmungen und vielen Begegnungen. Darauf müssen wir zurzeit verzichten und das tut weh!
Manch einer spricht jetzt davon, dass sich die Kirche aus der Öffentlichkeit zurückzieht. Das ist mitnichten der Fall! Unsere Kirchen sind in aller Regel da, wo es auch sonst üblich ist, geöffnet. Gottesdienste werden im Internet übertragen. Und viele Menschen schauen sie nicht nur an, sondern feiern sie zu Hause mit. Aber die Kirche und unser Glaube erschöpfen sich nicht allein im Gottesdienst. Die Feier des Gottesdienstes ist zentral, aber ebenso zent-ral sind die Verkündigung und das Tun unseres Glaubens: Martyrie und Diakonie. Wir leben einen Dreiklang: Liturgie, Martyrie und Diakonie.
Ich bin allen Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen in den Gemeinden und in den verschie-denen Institutionen, jedem einzelnen in unserer Diözese von tiefstem Herzen dankbar, dass Sie in dieser Zeit auf unterschiedliche und kreative Weise ihren Glauben leben und fei-ern und für die Menschen, für die Gemeinde da sind. Wir wollen hier im Erzbistum Hamburg „Kirche in Beziehung“ sein – gerade jetzt!
In dieser Zeit werden manche Vergleiche gezogen, die meines Erachtens hinken. „Wir seien in einem Krieg, nur ohne Bomben.“ oder „Wir fühlen uns wie in einem Gefängnis“. Wir erleben keinen Krieg und wir sind auch nicht im Gefängnis! Wir sind in einer Pandemie, deren Ende wir weder kennen noch zurzeit sehen. Corona hat die globale Welt im Griff. Das hat es vorher noch nie so gegeben und kein Verantwortlicher konnte sich bei seinen Ent-scheidungen auf vergangene Erfahrungen berufen – die ganze Situation ist ungewohnt und immer noch ungewiss. Ich möchte ausdrücklich unseren Regierungen, den Leitungen in den Verwaltungen und Behörden danken für die wichtige und verantwortungsvolle Ar-beit, die sie jetzt tun. Danken möchte ich natürlich auch allen, die sich für die Kranken ein-setzen und die in den Altenheimen, Krankenhäusern und anderen Orten wirken.
Liebe Mitchristen!
Was die Gottesdienste anbelangt, sagt mancher: „Wenn ich in den Baumarkt gehen kann, warum dann nicht auch in die Kirche?“. Ob dieser Vergleich zutrifft? Müssten wir unsere Gottesdienste nicht vielmehr mit einem Mahl vergleichen. Wir feiern in jeder Eucharistie das Opfermahl Christi. Gaststätten und Hotels sind auch noch nicht wieder geöffnet.
Der Ruf nach Normalität ist laut und natürlich verständlich. Auch ich freue mich, wenn die Kirchen wieder mit Leben gefüllt werden und wir wieder wie gewohnt zusammenkommen. Aber dafür brauchen wir Geduld. Wahrscheinlich wird es nur in kleinen Schritten gehen und wir müssen auch wieder mit Rückschritten rechnen. Sicher wird es auch längere Zeit dauern!
Wir sind derzeit in Abstimmung über die Gottesdienste mit den Pfarrern und über unsere katholischen Büros in Hamburg, Schwerin und Kiel mit den dortigen Landesregierungen, Gesundheitsämtern und anderen Behörden. Um nur einige Fragen zu nennen, die im Raum stehen: Welche Kirchen im Pastoralen Raum eignen sich für die Gottesdienste? Welche Schutzvorkehrungen müssen, gerade für unsere vulnerablen Gemeindemitglieder, beach-tet werden? Können wir noch unsere Priester in höherem Alter oder mit Vorerkrankungen bitten, Gottesdienste zu übernehmen, oder eher nicht? All das und noch viel mehr müssen wir gut und verantwortlich klären. Die entscheidende Frage ist: Wie feiern wir Gottesdienst ohne einander zu gefährden? Hier tragen wir alle füreinander Verantwortung und müssen solidarisch zu einander stehen.
Vom heutigen Standpunkt aus, wird es wahrscheinlich frühestens ab dem zweiten Mai-Wo-chenende wieder möglich sein, Gottesdienste in unseren Gemeinden zu feiern. Wir halten Sie darüber auf dem Laufenden.
Es ist nach wie vor eine schwer auszuhaltende Situation. Aber im Vertrauen darauf, dass uns Gott gerade jetzt nicht im Stich lässt, werden wir diese Zeit zusammen schaffen. Ich bin mir sicher, er ist mit uns unterwegs wie der unbekannte Dritte mit den beiden Jüngern auf dem Weg nach Emmaus.
Bleiben Sie behütet, passen Sie auf sich auf und Gottes Segen für Sie alle.
Ihr

Hamburg, 24 April 2020