Die Familie mütterlicherseits gehörte bereits 1908 zur Pfarrei St. Sophien – erst acht Jahre vorher war diese feierlich eingeweiht worden. Der Großvater hatte lange Zeit die Theatergruppe der Gemeinde geleitet. Und die Mutter selbst war als legendäre Köchin bekannt – einer der Dominikanerpatres, der lange Jahre in St. Sophien seinen Dienst getan hatte, kam wegen der Gemüsesuppe eigens aus Braunschweig zu Diedrichs angereist.
Nicht ohne Stolz erzählt Georg Diedrich Episoden aus seiner Familiengeschichte und der engen Verbindung zu St. Sophien. Er selber – geboren 1935 – wurde in dieser Pfarrei getauft, besuchte den Kindergarten der Gemeinde und feierte seine Erstkommunion. „Und was ist mit dem Schulbesuch?“ frage ich. Die Schule von St. Sophien wurde am 30. September 1939 von den Nazis geschlossen.
Im Sommer 1943 – als der St. Sophienturm bei einem Fliegerangriff stark beschädigt wird, muss der Gottesdienst der Gemeinde in die Turnhalle der Nachbargemeinde St. Franziskus verlegt werden. Doch die Leidenschaft für seine Pfarrgemeinde kann auch in den Jahren nach der Ausbombung der Kirche nicht gebrochen werden. Und so sind die Diedrichs am 1. Juni 1951 zur Einweihung der St. Sophiengemeinde am Herz-Jesu-Fest gleich wieder mit dabei. Seither hat Georg Diedrich auf seine zupackende und sympathisch-spröde Art das Gemeindebild entscheidend mitgeprägt.
1974 entschied sich der gelernte Stuckateur und Gipser, der Kolpingfamilie beizutreten. Hier hatte er lange Zeit neben dem Vorsitzenden Leitungsfunktionen inne. Aber nicht nur hier. „Seit wann bist Du in den Gemeindegremien?“ Georg Diedrich denkt nicht lange nach. „Seit Pater Eligius Tegeler O. P, Pfarrer an der Gemeinde von 1963 bis 1981. Er holte mich als erster in den Pfarrgemeinderat.“ Während der Zeit von Pfarrer Pater Johannes Klauke O. P. arbeitete er noch kurze Zeit im Pfarrgemeinderat mit, um dann 1981 in den Kirchenvorstand zu wechseln, wo er bald das Amt des stellvertretenden Vorsitzenden übernahm – und es bis heute ausfüllt.
„Und Deine Familie? Wie hat sie die vielen Engagements für die Gemeinde aufgenommen?“ Anne, die er 1957 in St. Sophien geheiratet hat, ist gleich nach der Eheschließung von demselben St. Sophien-Virus angesteckt worden. Sie hat die Aktivitäten ihres Mannes aktiv mitgetragen und begleitet. Heute arbeitet sie gemeinsam mit ihrem Mann ehrenamtlich unter anderem in der Suppenküche der Gemeinde mit, die alle zwei Wochen ihre Tore öffnet. Für jeden und jede hat sie ein offenes Ohr und Kinder erliegen regelmäßig ihrem charmanten Lächeln.
„Bei so viel ‚katholischem‘ Engagement – hat da Ökumene Platz?“ Georg Diedrich lacht und erzählt, dass er lange am Bau mit einem evangelischen Kollegen zusammengearbeitet hat. „Wir konnten über alles reden. Nur ein Thema durften wir nicht anschneiden – dann gab es regelmäßig Streit.“ „Religion“, falle ich ihm sofort ins Wort. Georg lacht wieder. „Nein, beim Thema Politik. Konfessionsstreitigkeiten gab es zwischen uns nie.“
Die vielen Jahre Akkordarbeit gingen nicht spurlos vorüber. Georg Diedrich wechselte seinen Beruf und arbeitete 17 Jahre lang als Verkäufer in einer Boutique in einem namhaften Hotel in Hamburg. „Ihr hattet doch sicher durchgängige Öffnungszeiten? Also auch Sonntagsarbeit?“ will ich wissen. „Ich konnte meinen Dienst so legen, dass ich den Sonntagsgottesdienst nie ausfallen lassen musste.“ Sonntag für Sonntag war Georg und später mit ihm seine Frau Anne in St. Sophien dabei. Auch heute noch engagiert er sich als Messdiener, Kommunionhelfer, Lektor und regelmäßig betätigt er sich auch als Sakristan. Er begleitete die großen Bauvorhaben, unter anderem die Sanierung und Umgestaltung der Gemeinde 1990, die Turmsanierung vor einigen Jahren und vor kurzem erst die Neugestaltung des Kolpingraumes. Als Busfahrer ermöglichte er es unzähligen Seniorinnen und Senioren, die Sonntagsmesse zu besuchen. Er hilft mit bei Senioren- und Seniorinnentreffen, ist regelmäßig dabei, wenn Hilfe bei den Gemeindefesten nötig ist. Und der Tannenbau und Krippenauf- und abbau in der Gemeinde gehört bei Diedrichs zur Tradition.
Und seine Wünsche für die Zukunft? „Der Gemeinde fehlen die Jugendlichen, eine gute Jugendarbeit kommt nicht zustande. Nach der Kommunion bleiben nicht nur die Kinder, sondern vor allem auch die Eltern weg? Es wäre wünschenswert, wenn die Eltern die Gemeindearbeit auch nach der Kommunion ihrer Kinder weiter mittragen würden und damit auch eine gedeihliche Jugendarbeit in St. Sophien ermöglichten.“
„Über 70 Jahre – und immer in St. Sophien. Wie nimmst Du die Veränderungen wahr?“ Georg Diedrich antwortet spontan „Es ist freier geworden als früher. Das ist gut so.“ Danke Georg!
Anja Andersen