Keine (Corona) Auszeit für Arme oder die Hierarchie der Armut

Ich spüre eine Ohnmacht als ich erfahre, dass sämtliche Hilfsangebote für Obdachlose fast komplett runtergefahren sind. Die Tageseinrichtungen, ehrenamtlichen Verteilungen, Duschgelegenheiten etc. wurden komplett dicht gemacht. Helfer müssen sich auch schützen. Es gilt irgendwie doch immer wieder die Hierarchie der Armut. Im besten Fall arbeitet man im Home-Office, im schlechtesten Fall bekommt man noch nicht mal mit was momentan in der Welt passiert und wundert sich, dass einen sämtliche Tagesstruktur von heute auf morgen genommen wird.

Keine Tür die man hinter sich verschließen kann, stattdessen Türen die sich vor einem verschließen.

Jetzt 1,5 Wochen später kommt ein wenig Bewegung rein und es werden Zwischenlösungen angeboten. Eine Übersicht des aktuellen Hilfesystems gibt es hier https://tinyurl.com/s54p8vp

Hierzu möchte ich einen Kommentar der „Alimaus“, welcher auf deren Facebook Seite veröffentlicht wurde, weitergeben:

„Eine Reaktion seitens der Stadt Hamburg!

ABER – eine Verlängerung des WNP (Winternot Programm) ist keine Lösung! Auch obdachlose Menschen haben Angst vor Ansteckung! Die Infektionsgefahr besteht auch bei „lockerer Zimmerbelegung“. Was gebraucht wird sind Unterbringungen in Einzelzimmern wie z. B. in Hotels oder Pensionen. Es ist ohne Wohnung nicht möglich, Quarantäne einzuhalten.

Seit über einer Woche können die obdachlosen Menschen nicht duschen oder zur Toilette gehen. Ein katastrophaler Zustand, über den seitens der Behörde noch verhandelt wird!!!!

NUR, weil ehrenamtlich Tätige seit über einer Woche die Grundversorgung aufrecht erhalten, ist es zumindest möglich, den Menschen Hunger zu ersparen. Notfallversorgung von Grundbedürfnissen sieht anders aus.

Liebe Behörde, das ist nicht „mehr Hilfe seitens der Sozialbehörde“ sondern eine Mogelpackung!“

Leben im Abseits e.V.

Vergessen wir auch nicht die vielen verzweifelten Menschen im tiefsten Drogensumpf der Stadt. Junkies die sich zum Teil schon selbst aufgegeben haben und überhaupt nicht begreifen was um sie herum passiert. Für sie geht der Kampf ums tägliche Überleben weiter. Nur, dass nun auch eine wichtige Einnahmequelle fehlt, nämlich das Sammeln von Leergut. Zudem treffen sie sich bei der Drogenvergabe weiterhin in Gruppen und Konsumieren (das Einnehmen von Drogen) gemeinsam.

Nun mag man sagen, dass Drogenabhängige sowieso auf den falschen Weg sind und die Droge an sich auch zu verurteilen ist. Dennoch gibt es diese „Menschen“ deren Hilfsangebote auch weggebrochen sind bzw. pausieren.

Die Obdachlosenzeitschrift Hinz & Kunzt hat seinen Zeitungsverkauf gestoppt. Bis zum 19.03.2020 hatte das Straßenmagazin versucht, den Betrieb mit Kleinstbesetzung aufrecht zu halten. Seit ein paar Tagen wurden die Magazine nur noch durchs Fenster verkauft. Um die Hinz&Künztler*innen zu unterstützen, bekamen alle zehn Zeitungen täglich umsonst. „Das können wir nicht mehr verantworten“, sagt der Geschäftsführer Jörn Sturm. Hinz & Kunzt hat nun einen Corona-Fonds ins Leben gerufen:  https://www.hinzundkunzt.de/corona-fonds/

Seit Dezember 2019 gibt es den Duschbus. Ein ausrangierter Linienbus wurde mit Badezimmern und integrierter Kleiderkammer ausgestattet. Obdachlose können sich in diesen in Ruhe pflegen. So erlangen sie ihre Würde und ihr Selbstwertgefühl zurück. Durch die Kleiderkammer können sie das frische Gefühl in frischer Kleidung ein wenig länger mit sich tragen. Denn Waschen ist Würde.

Leider ist auch dieses Projekt aufgrund Corona/Covid 19 derzeit auf Eis gelegt. Weitere Infos wie man derzeit dort unterstützen kann findet man hier: https://gobanyo.org/

Das war nur ein kleiner Einblick über die Lage in der Obdachlosen Szene. Es gebe noch so viel mehr zu berichten, aber es gibt derzeit wohl kaum einen Menschen, der nicht in irgendeiner Weise von der derzeitigen Krise betroffen ist. Dennoch sollten wir auch für die ärmsten Menschen unserer Gesellschaft beten und wer kann und mag dort unterstützen.

2. Korinther 9:7
So soll jeder für sich selbst entscheiden, wie viel er geben will, und zwar freiwillig und nicht aus Pflichtgefühl. Denn Gott liebt den, der fröhlich gibt.