Die Brüder von Barmbek


Von Stefan Dombert (Hamburger Wochenblatt-Barmbek)
http://www.hamburger-wochenblatt.de/barmbek/lokales/die-brueder-von-barmbek-d21129.html
Barmbek Die Weidestraße ist eine viel befahrene Straße in Barmbek Süd – aber kaum einer bemerkt das Dominikaner-Kloster St. Johannis. Direkt neben der katholischen Sankt-Sophien-Kirche steht der denkmalgeschützte Rund-Bau, in dem elf Dominikaner leben. Einige von ihnen unterstützen die Kirchengemeinde in der Seelsorge, andere in der Jugendarbeit. Auch die Ghanaische Gemeinde wird von hier aus betreut, genauer gesagt von Pater Anthony. Allein zu ihren sonntäglichen Gottesdiensten kommen etwa 300 bis 500 Menschen. Die Dominikaner feiern jeden Morgen um sieben Uhr auch die einzige Heilige Morgenmesse Hamburgs, die stets gut besucht ist. Hier empfängt der gläubige Besucher die Hostie, den Leib Christi, in Oblaten-Form.

Ein Tag im Kloster

Der Tag eines Dominikanermönches beginnt um sieben Uhr mit der Morgenmesse. Im Anschluss – um halb acht – folgt die Laudes, das Morgengebet, in der Psalmen gesungen werden. Nach dem Frühstück geht jeder Mönch an sein individuelles Tagewerk, das aus Jugendarbeit, Seelsorge, der Leitung von Glaubenskursen oder dem Studieren besteht. Beim gemeinsamen Mittag- und Abendessen werden aktuelle Nachrichten und Entwicklungen diskutiert.
Nach der Heiligen Messe um 18 Uhr endet der Tag der Dominikaner – es sei denn, es liegen noch Abendgruppen zum Beispiel für Firmlinge an.
Auch wenn die Dominikaner nach den Regeln des Heiligen Bischofs Augustinus keusch leben, sind sie streng genommen keine Mönche im kirchlichen Sinne – sie sprechen von sich selbst als Predigerbrüder.
Ein Grund dafür ist, dass sie keine Robe tragen. Der Hauptgrund sei jedoch, dass ein Mönch ausschließlich in einem Kloster lebt und wirkt, während die Dominikaner diese wechseln dürfen und sollen, gibt Pater Philipp Auskunft. Der 28-Jährige ist seit vier Monaten im Barmbeker Kloster, zuvor war er in Köln. Da sich die Dominikaner der „geistigen Beweglichkeit und Unabhängigkeit“ verschrieben haben, stützen sie diese auch durch ihre unterschiedlichen Wirkungs-
stätten. Untereinander sprechen sie sich mit „Bruder“ oder lateinisch „Frater“ an. „Nah bei Gott, nah beim Menschen“ – das ist der Leitsatz, dem sich die Dominikaner verpflichtet haben. Zu ersterem gehört das Studium von kirchlichen und philosophischen Schriften sowie allgemeiner Literatur – zu letzterem natürlich das Apostulat (der Dienst nach außen) und der Austausch mit Andersdenkenden.
Dieser erfolgt auf Augenhöhe und mit einem Maximum an Wissen. Islambeauftragte des Ordens etwa müssen den Koran studiert haben und sprechen in der Regel persisch und arabisch, um Originalschriften lesen zu können.Auch dafür ist der Grund in der Historie des Ordens zu suchen: der studierende Schwerpunkt sollte schon im 13. Jahrhundert sicherstellen, dass den Gläubigen der Glaube richtig und nachvollziehbar erklärt werden kann. Seit seiner Gründung stehe der Dominikanerorden für Modernität, betonen die Patres (lateinisch: Vater). Schon im Jahre 1216 wurde innerhalb der Klostergemeinschaft auf Demokratie wert gelegt – und noch heute werde über Ämter und Finanzen gemeinschaftlich entschieden. Außerdem organisieren die Barmbeker Predigerbrüder ihre Termine über das Internet. Ein Smartphone gehört zur Grundausstattung, schon deshalb, weil die Türklingel mit ihm verbunden ist und dem richtigen Bruder Bescheid gibt, wenn Besuch für ihn da ist.

Keine Kirchensteuer

Die Dominikaner finanzieren sich selbstständig; Anteile der Kirchensteuer erhalten sie direkt nicht. Sie erhalten Gelder über ihre eigene Arbeit, zum Beispiel durch Dienste als Pfarrer oder Jugend-Seelsorger. Bezahlt werden sie so vom Erzbistum Hamburg oder der Gemeinde. Glaubenskurse, die sie anbieten, werden aber nicht als eine Einnahmequelle genutzt. Sämtliche Einnahmen gehen auf ein gemeinsames Konto. Zwar hat jeder Dominikaner ein Unterkonto mit dazugehöriger EC-Karte, doch wird das Geld als gemeinschaftliches Mittel zum Zweck gesehen.
Die Dominikaner in Deutschland strukturieren sich nicht nach Ländergrenzen, sondern nach sogenannten Provinzen. Zur Provinz Teutonia gehört ganze Deutschland, ausgenommen Bayern und Baden-Württemberg, welche mit Österreich der „Provincia Germaniæ superioris“ zugeordnet werden. Der Grund hierfür ist im Jahr 1938 und der Vereinnahmung Österreichs durch Nazi-Deutschland zu finden. „Als einer der ältesten Orden sind die Dominikaner heute eine moderne Glaubensgemeinschaft, die den Gläubigen jeglicher Couleur mit Respekt, fundiertem Wissen und Interesse an anderer Meinung gegenübertritt“, ist Pater Philipp überzeugt. Wären diese Werte heute weiter verbreitet, wäre die Welt friedlicher und besser. Wenn es nach den Brüdern geht, wollen sie die Menschen mit ihrer Glaubens- und Geisteshaltung noch viele Jahrhunderte inspirieren.
Dominikaner:
Im Jahre 1216 wurde der Orden in Spanien vom Heiligen Dominikus gegründet. Dieser war vorher auf einer diplomatischen Mission in Skandinavien und hat hier die Not und das Leid der Menschen gesehen – materiell und vor allem geistig/geistlich. Er bemerkte, dass die seinerzeitigen Prediger die Menschen mit ihren Botschaften nicht erreichten und vor allem in die eigene Tasche wirtschafteten. Er wandte sich an den Papst und erhielt die Erlaubnis, den christlichen Glauben mit einem eigenen Orden zu verkünden – weltweit. Durch ihre bescheidene, autarke Lebensweise und ihre Belesenheit sind die Dominikaner bis heute bei den Gläubigen sehr akzeptiert. (sdo)