Lange bekannt, verschwiegen und jetzt geplatzt!

– Ein Statement zur Krise im Erzbistum Hamburg

Von Pascal Landahl
Wir befinden uns nicht in einer finanziellen „Schieflage“, sondern in einer finanziellen Krise, sagt Generalvikar Ansgar Thim. Ich vermute, zumindest in diesem einen Punkt dürften die meisten Katholiken dem Generalvikar zustimmen. Allen Beteiligten dürfte zudem klar sein, dass angesichts der finanziellen Notsituation Sparmaßnahmen absolut notwendig sind, auch an den Schulen. Es wird unglaublich schwierig, wenn nicht gar unmöglich sein, alle 21 Schulen im jetzigen Zustand zu erhalten. Dennoch muss das nicht der Forderung „Rettet 21!“ unbedingt widersprechen. Denn es gibt zukunftsorientierte Alternativlösungen, wo Schulstandorte zwar geschlossen, aber dafür an einem neuen Standort zusammengelegt werden sollen.
So war auch die Planung für das Projekt Mesterkamp. Pater Thomas hat bereits im Jahr 2009 (!) begonnen, auf die Möglichkeiten des Busbetriebshofs Mesterkamp nach einer möglichen Schließung hinzuweisen und dazu Gespräche zu führen. Und tatsächlich: Er wird nun Ende 2018 geschlossen. Leider sind die Planungen für eine große katholische Stadtteilschule und Gymnasium, in welcher voraussichtlich die Franz-von -Assisi-Schule, die Sophienschule, die Domschule, die Sankt-Ansgar-Schule und die katholische Schule Altona vereint worden wären, gestorben, da der Generalvikar das Projekt aus Kostengründen im November 2016 „gestoppt“ hat.
Man kann also durchaus plausibel vermuten, dass die finanziell prekäre Lage des Erzbistums spätestens bereits im November 2016 bekannt war. Umso erstaunlicher ist es, dass das Erzbistum im selben Jahr 2016 noch ein Vermögen von über 200 Millionen Euro öffentlich bekanntgegeben hat.
Die Probleme reichen aber leider noch viel weiter zurück und dies offenbart das katastrophale Versagen von zahlreichen Verantwortlichen seitens der Bistumsleitung, insbesondere dem für Verwaltung und Finanzen verantwortlichen Generalvikar, über Jahre hinweg. Anscheinend und tatsächlich war der finanzielle Engpass des Bistums schon seit Jahren, ja sogar Jahrzehnten den Verantwortlichen bekannt. Warum hat das Erzbistum beispielsweise bei der Sanierung seiner Kathedrale im Jahr 2007 und 2008 für etwa 8 Millionen Euro exakt 0 Cent gezahlt? Dies kann letztlich nur aus Kostengründen geschehen sein. Eine Vermutung, in Ordnung. Fakt ist aber, und das bestätigte mir der frühere langjährige, Verwaltungsratvorsitzende des Katholischen Schulverbands Hamburg, dass bereits im Jahr 1996 (!) nicht gedeckte Verbindlichkeiten bzw. Pensionsrückstellungen in Höhe von 180 Millionen D-Mark, also etwa 90 Millionen Euro, in der Bilanz existierten.
Immer wieder wird in diesem Zusammenhang behauptet, der Katholische Schulverband sei ganz allein für die hohe Last an Verbindlichkeiten verantwortlich und ein unabhängiger Partner des Erzbistums gewesen, so dass das Erzbistum erst mit der Auflösung des Katholischen Schulverbands und neuen Trägerschaft zum 01. Januar.2017 die Kontrolle, Aufsicht und Haftung für den Schulverband übernommen habe. Dies behauptete auch Dr. Haep, Abteilungsleiter Schule und Hochschule des Erzbistums, in der Informationsveranstaltung in der Sophienschule am 24. Januar.2018. Das ist sehr erstaunlich, weil es faktisch falsch und absurd ist. Insofern gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder die Verantwortlichen und Personen allgemein, die dies behaupten, sind schlecht informiert, oder diese falsche Behauptung wird bewusst verbreitet.
Fest steht, um wieder zu den Fakten zurückzukehren, dass der Katholische Schulverband rechtlich zwar eine eigene Körperschaft des Öffentlichen Recht, in der Praxis jedoch zugleich absolut abhängig vom Erzbistum Hamburg war. Jeder jährliche Haushaltsbericht des Verbands musste vom Generalvikar genehmigt und unterschrieben werden. Jede Verbeamtung führte letztlich das Erzbistum durch die Person des Generalvikars durch. Das Geld für den katholischen Schulverband wurde zu einem großen Teil vom Erzbistum zur Verfügung gestellt. Das Erzbistum hat seit seiner Gründung 1995 stets sowohl den Verwaltungsratsvorsitzenden als auch den Verwaltungsdirektor und Schuldezernenten persönlich ernannt und wieder abberufen. Dies wäre bei zwei voneinander angeblich unabhängigen Körperschaften wohl kaum möglich.
Die logische Schlussfolgerun lautet: Der Katholische Schulverband stand stets unter der Aufsicht und Kontrolle des Erzbistums. Das Erzbistum hat die Pensionsrückstellungen aus grober Fahrlässigkeit über Jahre und Jahrzehnte nicht beachtet und stark ansteigen lassen. In seiner praktischen Aufsichtsfunktion über den Schulverband hat das Erzbistum bereits vor  der Übernahme der Schulen Anfang 2017 faktisch für die Verbindlichkeiten gehaftet. Es ist insofern ein gewaltiges Problem, das über Jahre und Jahrzehnte den Verantwortlichen alles bekannt war, sie dies nur verschwiegen haben. Nun ist die Bombe geplatzt! Die Herren Generalvikare seit der Gründung des Bistums 1995 Franz-Peter Spiza (1995-2013) sowie Ansgar Thim (2013-heute) als Verwaltungs- und Finanzchefs des Bistums letztlich Hauptverantwortliche sollten endlich ihre Fehler eingestehen und entsprechende Konsequenzen daraus ziehen. Ein Weiter So geht nicht.
Es ist deshalb prinzipiell gut, dass unser Erzbischof nun diese gewaltigen finanziellen Probleme anpackt. Fragwürdig und oft mangelhaft sind in diesem Prozess die Entscheidungsfindung sowie die konkreten Entscheidungsgrundlagen. Problem beim Entscheidungsprozess ist ganz eindeutig die mangelnde Transparenz und Einbindung der Beteiligten. Diese wurde seitens des Bistums immer wieder explizit versprochen, jedoch leider im Rahmen der Entscheidung zu den Schulschließungen nicht ansatzweise eingelöst. Auch im Nachhinein lässt die Kommunikation und Transparenz sehr zu wünschen übrig. An unserer Sophienschule war im Rahmen der „Informationsveranstaltung“ am 24.01 von den Verantwortlichen ein zwei stündiger mehr oder weniger informativer Monolog mit PowerPoint-Präsentation und 12 schriftlich vorgelegten Fragen geplant. Sieht so die von Papst Franziskus geforderte Kultur des Dialogs aus? Gott sei Dank haben wir das nicht zugelassen, die Methode der Verantwortlichen durchkreuzt und kritische Fragen gestellt, auf welche die Bistumsleitung allzu oft leider keine Antwort wusste. Auch kann keiner nachvollziehen, selbst nicht die besten Experten wie erfahrene Wirtschaftsprüfer, wie die von Ernst & Young vorgelegten kalkulierten Kosten für Sanierung etc. so exorbitant hoch sein können, an der Sophienschule wird von ca. 7,4 Millionen Euro gesprochen.
Wollen wir daher hoffen, dass das Erzbistum mehr Transparenz schafft und die Kommunikation erheblich verbessert. Eine sehr interessante Initiative zum Erhalt der katholischen Schulen in Hamburg ist außerdem die Hamburger Schulgenossenschaft. (www.hamburger-schulgenossenschaft.de). Wir müssen jetzt wieder miteinander ins Gespräch kommen. Schließlich sind wir alle der Leib Christi, das Volk Gottes, nicht nur die geistlichen Würdenträger! Hoffen und beten wir deshalb für eine authentische und missionarische Kirche hier in Hamburg, auch und gerade an den katholischen Schulen!
Pascal Landahl